Die moralische Instanz und die Entfremdung des Gewissens

Ein soziales Miteinander ist immer abhängig vom Gewissen jedes seiner Teilnehmer oder Mitglieder. Ohne dieses innere Gewissen kann kein wahres Miteinander funktionieren.

Es ist auf unserem Empfinden für Fairness aufgebaut, dessen Voraussetzung wiederum in der Fähigkeit des Mit-einem-Anderen-Fühlens (Spiegelneuronen) liegt. Beides ist sowohl uns als auch, soweit bisher erforscht, vielen Tieren angeboren. Es sind die Grundlagen eines sozialen Verhaltens in Gruppen.
Wissenschaftliche Forschungen diesbezüglich haben ergeben, dass das Verhalten von Kindern anderen Gegenüber bis zu einem gewissen Alter vor allem von Anteilnahme und Fairness-Empfinden gesteuert wird. Eine Fairness, die ihnen mangels eines Bewusstseins dafür allerdings von Erwachsenen nicht unbedingt entgegen gebracht wird.
Fair zu sein“ bedeutet übrigens in der Übersetzung „anständig zu sein“, was einen feinen Unterschied zu dem Begriff der Gerechtigkeit beinhaltet. Trotzdem bezeichnen wir unser sensibles Empfinden für Fairness häufig als Gerechtigkeitssinn.

Im Unterschied zur Gerechtigkeit existieren innerhalb des natürlichen Fairness-Empfindens keine Bestrafungen. Fairness kennt keine Über- oder Unterordnung, welche für eine Bestrafung notwendig ist.

Fairness ist ein das Miteinander eigendynamisch regulierendes Prinzip.
Das lässt sich von der Gerechtigkeit nicht behaupten. Das Fairness-Empfinden reguliert den Umgang miteinander unter der vollen Berücksichtigung vom persönlichen Zustand des oder der Anderen.

Beachte den Unterschied: Fairness-Empfinden ist angeboren, Gerechtigkeit nicht. Fairness und Mitgefühl beinhalten keine Strafen, Gerechtigkeit hingegen sehr wohl.

Gerechtigkeit soll häufig durch Bestrafung herbeigeführt werden, wobei das Erleiden von Bestrafungen unser Fairness-Empfinden kompromittiert und sämtlichen Mitgefühl widerspricht. Im schlimmsten Fall verlieren wir durch häufiges Erleben/Erfahren von Bestrafungen den Zugang zu beidem, was energetisch betrachtet einer Ausstoßung aus dem Empfinden für ein Miteinander, ja, auch dem Miteinander gleichkommt.
Aus der aufoktroyierten Gerechtigkeit und ihren Regeln entwickelt sich sodann ersatzweise eine Abhängigkeit zu einer äußeren moralischen Instanz, die für uns darüber bestimmt, was gut und richtig ist oder schlecht und falsch, die uns über zu befolgende Regeln die Richtung weist.
Wir sind dann ganz unauffällig und nebenbei mehr oder weniger zum Untergebenen geworden, anstatt über unser Fairness-Empfinden und Mitgefühl zu einem gleichwertigen Mitglied eines Miteinanders.

Würden wir davon unbeeinflusst aufwachsen können, würde sich aus unserem von Anfang an vorhandenen Fairness-Empfinden, erweitert durch Erfahrungen und Wissen, das entwickeln, was wir als ein gesundes Gewissen bezeichnen, unsere eigene innere moralische Instanz, im Gegensatz zur äußeren moralischen Instanz, aus der sich Schuld und Schuldgefühle ergeben.
Hatten
wir in unserem sozialen Umfeld die Chance zu einer ungestörten Entwicklung, wird unser Gewissen untrüglich wissen, wann wir uns im Sinne eines Miteinanders verhalten und wann nicht. Oder auch, in welchem Umfang wir in Gefahr sind, einem für uns und alle notwendigen Miteinander zu schaden. Unsere innere moralische Instanz meldet sich dann als das unangenehme Gefühl des schlechten Gewissens und fordert uns zu einer Verhaltensänderung auf, die zugleich uns und den Anderen mehr dienlich ist.
Geleitet von unserem angeborenem Mitgefühl und Fairness-Empfinden könnten wir eine wunderbare Gemeinschaft des Lebens finden. Im Kleinen erhalten wir immer wieder Beispiele dafür, wie gut das funktionieren kann.
Vielleicht mögen diese Gedanken ja dazu beitragen, dass es uns mehr und mehr gelingt, uns auf unsere wahre Menschlichkeit zu besinnen und uns von dem Gerechtigkeitsgedanken zu lösen.
Strafen können keinen Weg zu einem wahren Miteinander ebnen.
Sita Hahn

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