Wie es einst begann……
– eine Geschichte –
Erinnerst Du Dich noch daran, wie Dein Vater abends Nachhause kam?
(Das ist nicht wirklich der Anfang, aber es ist eine Erinnerung oder für manchen auch nur eine Fiktion, mit der wir gut beginnen können, um ein Geschehen zu verdeutlichen. Es ist ein Geschehen, das so ähnlich in den Tiefen Deines Lebensanfangs und des Deiner Eltern stattfand.)
Du warst noch sehr klein und Du hattest die Gegenwart Deines Vaters tagsüber vermisst. Seine Ausstrahlung war ein fester Bestandteil Deines energetischen Lebensumfeldes, des Umfeldes, in das Du geboren wurdest.
Abends kam er nach Hause und nun endlich wolltest Du auch in seiner Nähe sein können, ihn fühlen, mit ihm spielen, von ihm lernen können.
Und dann wurdest Du zurückgehalten oder gar zurückgewiesen.
„Papa ist müde. Papa war arbeiten, hatte einen anstrengenden Tag. Papa kann jetzt nicht.“, hörtest Du. Natürlich kann es Dir auch mit Mama so gegangen sein. Vielleicht hat sie Dir dies sogar selbst gesagt.
Du hattest weder eine Ahnung, was „Arbeit“ ist, noch, was „anstrengend“ ist. Das gab es noch nicht in Deiner Erfahrungswelt.
Und Du durftest nicht an Papas Erfahrung teilhaben, um es erfühlen zu können. Er ließ es nicht zu, zog sich einfach zurück oder wies Dich gar, als ihn weiter belastend, zurück.
Und so hörtest Du nur, dass etwas wichtiger ist, als Du und als Dein Bedürfnis nach Nähe, Spiel und Austausch.
Etwas Dir Unbekanntes nahm Dir, was Du brauchtest.
War das fair?
Nein, das war nicht fair!!!!
Und Du solltest Verständnis haben. Das wurde verlangt.
Was ist Verständnis für ein kleines Kind?
Du hattest nur Mitgefühl und Fairness-Empfinden, beides angeboren.
Und wenn es Papa nicht gut ging, wolltest Du ihn aufmuntern oder trösten, mit ihm sein.
Das verlangte Dein Mitgefühl und Dein Empfinden für Fairness, für Miteinander.
Aber beides war nicht gefragt.
Und was gefragt war, konntest Du nicht begreifen.
Du warst verunsichert, Deines inneren Kompasses für ein Miteinander beraubt.
Ab jetzt gab es für Dich Regeln und es gab Wichtigkeiten.
Beides setzte Dein Mitgefühl und Fairness-Empfinden, Deine innere Orientierung im Miteinander außer Kraft.
Ab jetzt bestand die Möglichkeit, etwas falsch zu machen. Ich meine, etwas wirklich falsch zu machen, nicht etwas nicht hinzubekommen.
Und es bestand die Möglichkeit, einer Strafe, einer Zurückweisung, einer Reglementierung.
Man brachte Dir Regeln bei.
Du wurdest erzogen anstatt in Erfahrungen mitgenommen.
Du solltest hören und Folge leisten anstatt an die Hand genommen zu werden.
Nein, das war nicht fair!!!
Ab jetzt ging es um Gerechtigkeit, nicht um Fairness.
Es war gerecht, dass Papa seine Ruhe brauchte, schließlich sorgte er mit seiner Arbeit für unser Leben. Das war wichtig und Papa war wichtig und alles mögliche andere auch. Du musstest Dich mit den Wichtigkeiten arrangieren, ohne sie begreifen zu können.
Was wichtig war, stand an erster Stelle.
Was wichtig war, war wertvoll.
Du als Du warst nicht so wichtig.
Dich zu versorgen war wichtig.
Die Zukunft war wichtig.
Du als Du solltest erst noch etwas werden.
Dafür wurdest Du erzogen.
Das war wichtig.
Also hast Du die Regeln gelernt, um zu wissen, wann Du dran sein darfst.
Also hast Du begonnen, Dich anzustrengen, damit auch Du wichtig sein kannst,
wichtig genug, um irgendwann selbst die Regeln zu bestimmen, um wertvoll zu werden.
Oder Du hast einen anderen Weg gefunden, um dran zu sein, in den Augen der anderen dran sein zu müssen, Krankheit zum Beispiel oder eine Schwäche.
So wie Dir ging es so ziemlich allen.
Deshalb leben wir in einer Welt der Gerechtigkeit und nicht in einer Welt von Fairness und Mitgefühl.
In einer Welt der Gerechtigkeit gibt es viele Regeln und es gibt Strafen, wenn Du Dich nicht an die Regeln hältst. Du kannst etwas falsch und richtig machen.
In der Welt der Gerechtigkeit gibt es jemanden oder etwas, der die Regeln festlegt und den Maßstab der Beurteilung.
Es gibt eine moralische Instanz.
Es gibt jemanden, der genau weiß, was falsch und was richtig ist, was gut und was schlecht ist.
Früher war es vielleicht Deine Mutter oder Dein Vater.
Vielleicht war es auch die Kirche als Institution mit ihren Geboten.
Die moralische Instanz gebietet das Wohlverhalten.
In der Gesellschaft sind es die Richter, die Polizisten, die Lehrer und bestimmt die Kirchlichen, vielleicht auch Dein Arzt.
Jemand, der es ganz bestimmt besser weiß, als Du.
Die moralische Instanz nimmt Dir die Last des Gewissens ab.
Oder sie gibt Dir die Last eines ständigen schlechten Gewissens, weil die Regeln zu unklar waren, eher willkürlich, auf jeden Fall ohne Rücksicht auf Dich und Dein Alter.
Und Du brauchst inzwischen Regeln, musst wissen, was richtig und falsch ist, weil Du Dich nicht mehr von Fairness-Empfinden und Mitgefühl leiten lassen darfst.
Aus beidem und einer Portion Erfahrung im menschlichen Miteinander wäre Dein eigenes Gewissen erwachsen, ein unfehlbares, weil es Dich immer zum Dienst am Miteinander aufrufen würde, zum Dienst an unserer gemeinsamen Lebensgrundlage. Im Jetzt geankert könntest Du in innerer Sicherheit wissen, was zu tun ist.
Vielleicht ist es mir gelungen, Dich ein wenig nachdenklich zu machen?
Gibt es eine moralische Instanz in Deinem Leben?
Bemühe Dich in Deinem Leben darum, Dich mehr und mehr wieder von Fairness-Empfinden und Mitgefühl leiten zu lassen. Vor allem im Umgang mit Deinen Kindern.
Denke daran: Fairness kennt keine Strafen und Mitgefühl bietet den Raum zum Mitfühlen an, damit Orientierung möglich wird.
Überprüfe für Dich, ob Du unter einer moralischen Instanz leidest oder vielleicht selbst eine solche sein willst.
Suche nach neuen Wegen, auf welchen Du für Dich innere Sicherheit gewinnen kannst, ohne falsch und richtig, ohne gut und schlecht.
Sita Hahn
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Ein schlüssiger Text. Nicht immer einfach anzuwenden. Ich danke dir , weil du mich stärker machst. Von Herzen, liebe Grüße.
Ich mache gerne Menschen stärker, liebe Alexa! Auch wenn der Weg gewiss nicht in einem Schritt zu gehen ist. Das Denken zu ändern, ist auf Dauer wirksam.
Ich wünsche Dir alles Liebe
Sita
Wieder einmal ein sehr berührender Text, der es einem ermöglicht sein „Ich bin falsch“ zu erklären! Durch dich habe ich so viele falsche Denkmuster erkanntund konnte mich von einigen lösen. Ich kann nir immer wieder von Herzen danke sagen!!!
Von Herzen gern, liebe Michaela!
Ich freue mich sehr über Dein Feedback!
Sita
Hallo Sita, ich lese diese Sachen von Dir sehr gerne. ..sie machen mir Mut zum weiter machen…vieles klingt bei mir an und das tut gut..Dankeschön, Marliese
Das freut mich, liebe Marliese!
Wieder einmal sehr berührend, Danke dafür liebe Sita ❤️
Es bewirkt genau das, was Du bezwecken möchtest …….es lässt mich nachdenken und heilen ?
In liebe Holger??
Wie schön!!!!
Liebe sita
Dieser Text ist wunderbar. stärkend helfend .erinnernd befreiend .
ich sauge ihn mit meoner seele und lebe ihn .
Und teile ihn mit .
Ja. Die Welt ist menschlicher .wenn viele das erkennen und leben .
Aber eine ist schon ein guter Anfang
Danke und schönen Winter.
Erfüllte Grüße
Mathilde
Liebe Sita , nachdenklich bin ich immer , wenn ich deine Texte lese .
Herzlichen Dank dafür
Edelgard
Liebe Sita, wieder berühren mich deine Worte zutiefst. Ich spüre die Verletzungen des kleinen Kindes, vieles noch nicht geheilt. Ja es stimmt, alles war wichtiger und ich war unsicher, was richtig und was falsch war. Es gab keine wirklichen Regeln bei uns. Deshalb lerne ich noch und bin froh, dass es dich gibt. Ich wünsche dir alles Liebe für das Neue Jahr. Danke !!! Marie
Danke, liebe Marie!
Das wünsche ich Dir auch!
Liebe Sita!
Ich habe deinen Text heute mit neuen Augen gelesen, meine innere Instanz regiert mich immer noch. Mein Liebster liest und schreibt hier und meinem Haus philosophische Bücher und Texte. Er lebt mit mir auch den Alltag und hilft mir im Garten. Das Vogelhaus versprach er mir vor einer Woche aufzustellen. Mein Kommentar heute nach dem Frühstück war:jetzt sage ich es dir ein letztes Mal..stellst du mir das Futterhaus auf ?
Worauf er meinte: so autoritär und gefühllos kannst du mit den Schülern reden…es fehlt dir an Kommunikation…
ich erinnerte mich dann an einen Ausspruch meiner Mutter:du bist so jähzornig wie den Vater und wirst auch Magenkrebs bekommen.
ja, zwischen dem Lesen von deinen tiefen Texten und dem Leben , Erkennen, Anwenden liegen viele Übungen.
Danke dass du mich immer wieder erinnerst!
Das tue ich gerne!
ein schöner Text, ich musste weinen bei dem Wort Krankheit.
Ich frage mich, bedeutet „gerechter“ „härter“?
Mitgefühl wird in der Wirtschaft geheuchelt… da ist kein Platz für Gefühle, zumindest lt. Aussagen meiner letzten Chefinnen…. sind Ergebnisse gerechter ?
ja, man bekommt Gehalt. Ja schon, aber man lässt ihnen weeeeit mehr dort als nur die Arbeitskraft per se
Ja, ich glaube, die Gerechten erlauben sich mehr Härte oder Verhärtung.
Liebe Sita, danke für deine Inspiration ❤️
Immer wieder finde ich kreative Lösungen für mich und mache mein Leben leicht und glücklich 😍🍀🥳
Was ist GeRECHTigkeit ? Ich bin aufgewachsen mit Rechten und Pflichten. Oft kannte ich meine Pflichten besser, als meine Rechte… Heute halte ich beides in Balance und Leben ein Leben in meiner LeichtICHkeit. Das Wort mit den beiden ICH ❤️
Es erinnert mich daran, mich wichtig, mutig und wundervoll zu nehmen, damit ich genug Energie für meine Herausforderungen im Leben haben.
Das ist schön von Dir zu lesen!
Ein wichtiges Plädoyer dafür, Kinder mit all ihren Wünschen, Sorgen, Freuden und Ängsten zu jeder Zeit ernst zu nehmen! Vielen Dank dafür!
Ich finde es richtig toll beschrieben, Habe das so Gott sei Dank nicht erfahren müssen, aber kenne genug Beispiele wo es so gewesen ist. Bin auch Lehrerin, ziehe mir diesen Schuh aber nicht an. Vielen lieben Dank 🙏, für diesen Post.
Gerne!