Wie kannst Du damit leben?
Wird es irgendwann besser?
Das sind Sätze, die wir aussprechen, wenn uns etwas schockierendes widerfahren ist, etwas, das unser Lebensgefüge in Frage stellt.
Das kann etwas sein, das uns getan wurde und auch etwas, das wir selbst getan haben.
Es ist in jedem Fall eine Erfahrung, die wir nicht ohne weiteres annehmen können, obwohl das Geschehene uns widerfahren ist, es geschehen ist, wir es erlebt haben.
Und die Antwort ist immer: Du wirst lernen müssen, damit zu leben und es wird sich einiges für Dich ändern.

Aber möglicherweise lehnen wir die Erfahrung ab, suchen nach einem Schuldigen, werden wütend, schwören Rache oder brechen zusammen, versuchen sie zu leugnen, suchen nach Wiedergutmachung, sind im Widerstand.
Die Welt darf nicht so sein, dass so etwas geschehen kann, wir dürfen nicht so sein!
Dann verlieren wir uns in der Geschichte und in den Details. Wir verlieren den Bezug zum Wesentlichen, zu der Erfahrung selbst. Wir flüchten uns in Gedanken.

Wir versuchen, die Erfahrung, die Berührung zu verdrängen, um weitermachen zu können wie bisher, eine Änderung nicht zulassend.
Nur eines können wir
auf keinen Fall: die Erfahrung rückgängig machen.
Wir können weder ungeschehen machen, was wir taten noch, was wir erlebten.
Was geschehen ist, ist Teil unseres Lebens, ob wir es wollen oder nicht, auch dann, wenn wir es leugnen.

Unsere Erfahrungen machen uns aus.
Wir sind hier, wir leben, um Erfahrungen zu machen, um an ihnen zu wachsen, um uns durch sie zu bilden und dann von diesem Punkt aus neue Erfahrungen zu machen.
Wir sind hier, um alle Erfahrungen zu machen, die uns möglich sind und darin uns selbst zu begegnen, uns selbst zu erkennen.
Unsere Erfahrungen ändern nicht das, was wir sind, aber sie ändern unseren Umgang mit der Welt, ändern unseren Umgang mit dem Leben. Sie ändern unseren Weg durch die Welt und damit zu neuen Erfahrungen.

Erfahrungen, die wir ablehnen, behindern unseren Weg durch das Leben.
Wir treten dann auf der Stelle. Wir meiden das Wesentliche.
Die Erfahrungen wiederholen sich, bis wir sie angenommen und integriert haben, bis wir uns nicht mehr an ihnen reiben, sie nicht mehr ablehnen und damit an uns nichts mehr ablehnen.
Bis dahin fehlt der Raum für andere Erfahrungen, für Erfahrungen der Vollständigkeit.

Was immer wir an anderen ablehnen, lehnen wir auch an uns selbst ab.
WIR würden das niemals tun! Davon sind wir überzeugt.
Dass andere es tun, erschreckt uns, ruft unseren Widerstand auf.
Wir beurteilen und verurteilen es.
Und doch ist all dieses Tun einzig ein Ergebnis von erfahrener Ablehnung.
Es ist ein Ergebnis von nicht integrierten Erfahrungen und wiederholt sich deshalb, bis es erlöst werden kann.
Wenn die Not nur groß genug wäre, würden auch wir vieles von dem tun, was wir eigentlich ablehnen und wir würden versuchen, es zu rechtfertigen.
Wir würden eine Geschichte erzählen.

Wir lehnen Erfahrungen ab, weil wir uns nicht fähig fühlen mit ihnen umzugehen.
Irgendwann waren wir das auch einmal, damals als wir noch klein waren und nicht fähig für uns selbst zu sorgen. Was wir damals erlebten, hat unser heute geprägt.
Als Erwachsener könnten wir uns fähig fühlen, wenn wir dazu bereit wären, uns unserem Erleben ohne Urteil und Widerstand zu stellen, auch wenn uns nicht gefällt, was wir zu sehen bekommen.
Dann können sich Dinge ändern.
Dann können wir einen neuen Umgang mit dem Leben lernen, für uns und für andere.
Dann wären so manche Erfahrungen und die Geschichten, die sie ermöglichen nicht mehr notwendig, für uns und für andere.

Was wir ablehnen, damit können wir nicht lernen, umzugehen, egal was es auch ist.
Unsere Ablehnung spaltet die Welt in gegeneinander kämpfende Teile.
Jenseits dessen sind wir alle Brüder und Schwestern, teilen wir einen gemeinsamen Ursprung.

Von Bedeutung ist, wie sich etwas anfühlt, ist das Erfahren.
Die Erfahrung ist das Wesentliche, nicht die Geschichte, die dazu geführt hat.
Die Geschichten sind austauschbar, die Erfahrung ist es nicht.
Lass Dich von der Erfahrung durchdringen, ohne Dich ihr in den Weg zu stellen.
Sie will Dich lehren.
Lass die Geschichte bei Seite.
Sie ist nicht von Bedeutung
und dient nur zur Ablenkung vom Wesentlichen.

 

Sita Hahn

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